Klarinette: Die Geburt der Königin des guten Tons am 14. Januar 1690
– von Jürgen Bräunlein
Nürnberg war einst die Stadt großer Tüftler. Die Taschenuhr wurde hier erfunden, die Hobelbank oder auch der Erdglobus. Eine der bedeutendsten Nürnberger Erfindung machte vor 325 Jahren der Instrumentenbauer Johann Christoph Denner: Er erschuf “die Königin des guten Tons” – die Klarinette.
“Beim Chalumeau hat er einfach diese grundsätzliche Verbesserung gemacht, dass er diese Überblasklappe angesetzt hat, dadurch ist eigentlich ein Instrument mit neuen Möglichkeiten und auch mit so vielen neuen Klangfarben entstanden, dass man das als die Geburtsstunde der Klarinette ansetzt.”
So die Einschätzung von Martin Spangenberg, Professor für Klarinette an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Bereits in seiner Kindheit machte Johann Christoph Denner, geboren am 13. August 1655 in Leipzig, Bekanntschaft mit dem Instrumentenbau. Sein Pate war Orgelbauer. Später, als die Familie nach Nürnberg zog, erlernte der Knabe bei seinem Vater das Handwerk eines Horndrehers, der Lockpfeifen herstellte, mit denen Tierstimmen wie Kuckucksrufe oder Entengeschnatter imitiert wurden. Nach seiner Gesellenzeit eröffnete Denner eine eigene Werkstatt und baute Holzblasinstrumente. Die von ihm gefertigten Flöten hatten einen besonders reinen Ton und waren bald weit über die Reichsstadt hinaus begehrt. Doch Denners große Stunde sollte erst noch schlagen. Mit Fleiß und ungestümer Experimentierfreude arbeitete er an der klanglichen Erweiterung gängiger Blasinstrumente. Und begab sich dabei auch auf die Suche nach etwas ganz Neuem.
“Dieses gute Vorhaben erreichte auch würklich einen erwünschten Effect, indem er zu Anfang dieses lauffenden Seculi eine neue Art von Pfeiffen-Wercken, die sogenannte Clarinette, zu der Music-Liebenden großen Vergnügen, ausfande”, hieß es 1730 in einem Lexikon über Nürnberger Musiker.
Mit Experimentierfreude zu neuer Vielfarbigkeit
Denners Ausgangspunkt waren sogenannte Chalumeaux, eine spezielle Sorte Schalmeien, also Flöten mit einem Rohrblattmundstück, mit denen man zu jener Zeit viel musizierte. Sie waren relativ rau im Klang und hatten einen nur geringen Tonumfang. Denner gab einer verlängerten Chalumeau zwei zusätzliche untere Löcher, die über mechanische Klappen geöffnet und geschlossen werden konnten. Damit war die natürliche Skala des Instruments um zwei Töne nach oben erweitert. Der Überlieferung nach soll es am Samstag, dem 14. Januar 1690, gewesen sein, als Denner mit der Ausführung seiner Idee endlich zufrieden war. Da der Klang an eine Barocktrompete erinnerte, die Clarino genannt wurde, hatte Denner auch gleich den passenden Namen für seine Erfindung:
“Clarinett: Wan der Trompeten-Schall will allzulaut erthönen,
so dient das Clarinett auf angenehme Weiß
es darff den hohen-Thon auch niedern nicht entlehnen
und wechselt lieblich um: Ihm bleibt hierdurch der preiß
darum manch Edler Geist, dem dieses werck beliebet
Sich Lehr-begierig zeigt und embsig darin übet”,
las man auf einem Kupferstich, Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden, der Denners Klarinette abbildet. Mit den Jahren hat die Erfindung viele Erweiterungen und klangliche Verbesserungen erfahren bis zu jenem Instrument, wie wir es heute kennen und schätzen.
“Die Klarinette ist ein sehr vielfarbiges Instrument, kann sehr viele verschiedene Charaktere annehmen, vielleicht sogar am wenigsten diesen festlichen Charakter. Also, die Trompete oder auch eine Oboe, die so etwas Definiertes im Klang hat, das den Ton angibt: Die Oboe – das Aaaa! Die Klarinette macht eher Uuuu!, kann aber auch dagegenhalten, hat einen größeren Tonumfang als die anderen Holzblasinstrumente, … Die Klarinette kann sogar einmal Bassfunktion in so einem Satz einnehmen, genauso eine Melodiestimme spielen und oft auch im Orchestersatz reine Mittelstimmenfunktion – und ist ein bisschen Wanderer zwischen den Welten.”
Johann Christoph Denner ist nicht nur der Vater der Klarinette, ihm werden auch die Anbringung der ersten Klappe an die Oboe und die Erfindung des Rackettfagotts zugeschrieben. Zu Lebzeiten galt er als der bekannteste und beste Flötenbauer Deutschlands. Nachdem ihm 1696 das Meisterrecht verliehen worden war, begann für ihn ein rascher sozialer und ökonomischer Aufstieg. Mit der Berufung zum “Genannten des Größeren Rates” gehörte er zu den ehrbaren Bürgern der Reichsstadt. Als Johann Christoph Denner am 20. April 1707 in Nürnberg starb, hinterließ er zwei Söhne, die sich ebenfalls als Holzblasinstrumentenbauer einen Namen machten.